Unverpacktladen – freilich unverpackt in Immenstadt
Es ist mal wieder soweit. Es gibt einen neuen Rundgang. Diesmal bin ich ins Allgäu gefahren zum Unverpacktladen freilich unverpackt in Immenstadt im Allgäu, dem schönen Laden von Martin und Judith Kensy und Stefanie Grömmer. Mein Weg dorthin führte mich vorbei am schönen Alpsee, an Schaf- und Kuhherden und sogar ein Huhn ist im Ort davor völlig gelassen über die Straße gelaufen. Wenn die Straßen kurvig, die Gegend hügelig und immer grüner wird, dann weißt Du, Du bist im Allgäu. Und genau dort, in der Innenstadt von Immenstadt, ist freilich unverpackt.
Der Laden ist schon beim Eintreten groß, weit, einladend und luftig. Die Lebensmittel hängen an einer langen Wand zu Dutzenden in Schütten gefüllt für die Kunden bereit und in der Mitte des langen Raumes steht ein großer Warenbereich, an dem links und rechts abgefüllt werden kann. Ich finde diese Konstruktion mit den Aufklappdeckeln und den Einhängebehältern nicht nur praktisch, sondern auch sehr schön. Das viele Holz gibt dem Laden einen schönen, natürlichen Look und der lange Gang ist optimal genutzt und trotzdem übersichtlich eingerichtet.
Direkt am Eingang gibt es einen Schrank voll nützlicher Haushaltsgegenstände, ob die schönen Trinkflaschen von Soulbottles mit verschiedenen Aufdrucken, sogar mit Korkhülle zum warm oder kalt halten, nachhaltige Kerzen, sowie Gläser zum Sprossenziehen von Eschenfelder und Wachstücher von Wabenwerk.
Außerdem haben Kunden hier die Möglichkeit, ihr Getreide und ihren Kaffee frisch zu mahlen und unter dem Tisch gibt es einen schönen großen Weidenkorb, voll mit Altglas, von Kunden für Kunden, falls Du mehr einkaufen willst, als Du Gläser dabei hast oder für den Spontankauf, wenn Du gar nichts dabei hast.
Direkt daneben steht ein Regal voller Kisten mit frischem Gemüse, welches freilich unverpackt regional und saisonal bezieht.
Während sich in dem Mittelgang Nudeln in einer großen Vielfalt, Trockenfrüchte, aber auch Müslizutaten wie Hirseflocken, sowie Kakao, Natron und Zucker finden, gibt es in den Schütten an der Wand unter anderem Getreide. Von Gerste, Hirse, Hafer zu Dinkel, Roggen und mehr, sowie Hülsenfrüchte, ob Linsen oder Bohnen, Samen und Reis in vielen verschiedenen Sorten.
Darunter stehen allerlei Leckereien, ob Kichererbsen zum Snacken mit Paprika und Meersalz. Oder als süße Variante mit Schokolade umhüllt, sowie eine Auswahl an Gummisüßigkeiten wie saure Fritten und Kekse, die dazu einladen, sie gleich zu probieren, am besten in der Caféecke im hinteren Bereich des Ladens, aber dazu später mehr.
Auf der gegenüberliegenden Seite steht ein langes Regal, in dem fast alles vertreten ist, was der Haushalt sonst noch braucht.
Küchenutensilien wie Vesperdosen, Trinkhalme und Eisformen, alles aus Edelstahl von ecobrotbox.
Eine riesige Auswahl an Gewürzen, sowie Essig und Öl. Getränke, unter anderem von regionalen Firmen wie Bier von Härle, Limonaden von zötler, aber auch die Hafermilch von voelkel, Bier von Lammsbräu und Ginger Beer von aqua monaco aus München, sowie verschiedene Sprossensaaten und Pestos und Chutney, ebenfalls aus regionaler Handarbeit.
Weiter hinten in dem langen Regal gibt es dann Menstruationsprodukte wie waschbare Stoffbinden und Slipeinlagen, sowie Menstruationstassen von Kulmine und natürlich Toilettenpapier, sowie Kosmetik aller Art. Ob die Cremes (Bodylotion, Handcreme, Gesichtscreme, Körperöl) von fair quared (in kleinen Gläsern und großen Pumpbehältern zum Nachfüllen) oder 4 people who care, die Seifen von Rosenrot, das Cremedeo von Nelumbo oder das feste Deo von Lamazuna. Was ich zum ersten Mal im Unverpacktladen gesehen hab: die festen Haarshampoos von Nelumbo! 🙂
Selbstverständlich dürfen auch hier die Zahnpflegeprodukte von Ben&Anna, Bambusliebe, TIO und denttabs nicht fehlen.
Dahinter steht noch ein kleines Regal, dass den Laden etwas vom Cafébereich abtrennt. Hier liegen unter anderem diverse Bürsten für den Haushalt von Redecker und festes Scheuermittel von Unisapon aus.
Von letzteren findet sich hier auch die gesamte Palette an Reinigern, was nicht viele sind, da Unisapon nach dem Motto geht, dass es nicht viel braucht um den Haushalt sauber zu halten. Im Zweifel können aus den einzelnen Reinigern auch spezielle Mittel gemischt werden. Das Tolle: Unisapon liefert in Pfandbehältnissen aus, sodass hier nicht einmal die Abfüllcontainer als Müll anfallen, sondern immer wieder gereinigt und wieder verwendet werden.
Zudem gibt es noch Pump- und Sprühaufsätze von Tante Olga, Seife von Zhenobya, Taschentücher und Stilleinlagen von Kulmine, waschbare Kaffeefilter, Seifensäckchen und Spülschwämme aus Luffa.
Im Cafébereich von freilich unverpackt lässt es sich richtig gemütlich abschalten. Hier findest Du nicht nur anregende Lektüre zum Verkauf, sondern auch thematisch passende Zeitschriften mit inspirierenden Inhalten. Das Inventar von freilich unverpackt ist übrigens alles Second Hand, ich liebe ja das bunte, vielfältige Möbelensemble solcher Cafés.
Außerdem gibt‘s bei freilich unverpackt auch einen leckeren Mittagstisch, den ich bei meinem Besuch auch probieren durfte und sehr empfehlen kann!
Was Du sonst noch alles bei freilich unverpackt findest:
- Frischwaren wie Brot, Käse, Eier, Joghurt, Quark und Butter, alles aus der Umgebung
- Tee von Artemisia und Kaffee von fab.coffee, sowie Lupinenkaffee von der schwäbischen Alb und – griechischer Bergtee von der Lebensmittelkampagne
- WC-Bürsten und -Kannen von Redecker
- saisonal: frische Kräuter- und Gemüsepflanzen, so wie passende Erde dazu von Artemisia
- natürlich Backbedarf wie Backpulver, Kuvertüre, Stärke, Hefe usw. und eine Menge Nüsse
- die Produkte im Pfandglas aus dem Sortiment vom Unverpacktverband und Bananeira (Schokoaufstrich, Ketchup, Passata, Erdnussmus, Sheabutter und Kokosöl)
- Glasbehälter und Weckgläser zum Kauf
- Oliven und, was ich noch nie gesehen hab: getrocknete Bananen!
Mein Einkauf bei freilich unverpackt:
Natürlich habe ich wieder Sachen mitgenommen, die ich sonst nirgends bekomme, wie die Snackkichererbsen in drei verschiedenen Sorten und getrocknete Pflaumen. Genauso besonders fand ich die Nudelauswahl, deswegen gab‘s auch noch Vollkorndinkel- und Braunhirsedinkelnudeln. Außerdem habe ich noch zwei Flaschen von dem Ginger Beer aus München mitgenommen, ich liebe Ginger Beer seit ich es vor vielen Jahren zum ersten Mal in England getrunken habe. Je ein Gläschen Pesto und Chutney durften genauso wenig fehlen wie das Shampoo von Nelumbo und neue Kupferschwämme zum Spülen. Für meinen Freund habe ich noch ein Glas Zahnpasta mit (ich benutze ja lieber die Zahnputztabs) und außerdem noch einen Kaffeefilter, einen Sprühaufsatz für Glasflaschen, damit ich endlich eine hoffentlich lang haltende und funktionierende Möglichkeit habe, mein Gemüse mit Brennnesseljauche von den Läusen zu befreien. Für unsere Toiletten habe ich Kannen für die Bürsten und eine frische Bürste mitgenommen. Da kommt unten noch eine Luffascheibe rein, damit auch nichts im Wasser steht und die Bürsten gut abtropfen können. Und zu guter Letzt noch ein Glas Leinsamen.
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Ein Interview mit Martin Kensy, einem der drei Inhaber von freilich unverpackt
Foto: freilich unverpackt
Seit wann gibt es den Laden?
12.April 2019
Wie seid ihr auf die Idee eines Unverpacktladens gekommen?
Wir haben Zuhause festgestellt, dass der Plastikmüll immer mehr wird. Wenn wir vom Einkaufen gekommen sind, mussten erst mal die Lebensmittel versorgt und die Mengen an Verpackungsmüll entsorgt werden. Gerade auch mit Kindern wird einem das sehr bewusst. Das war etwa im Sommer 2018.
Unverpacktläden gab es damals nur in den Großstädten. Gleichzeitig wurde in der Presse zu dieser Zeit ein sehr pessimistisches Zukunftsbild gemalt durch die vielen Mitteilungen von Mikroplastik und die weltweite Müllflut usw.
Meine Frau Judith, unsere Freundin Steffi und ich saßen zusammen und haben darüber gesprochen, wie die Situation ist, während bei uns, und auch allen anderen, das Leben einfach weiter läuft. Mit Job, Kindern, Familienleben und Skiurlaub, ohne, dass wir selbst aktiv werden und etwas zur Veränderung beitragen.
Gleichzeitig standen die Räumlichkeiten, in denen heute unser Laden ist, lange leer. Dadurch, dass er genau auf unserer Strecke zwischen Zuhause und dem Kindergarten liegt, sind wir jeden Tag daran vorbei geradelt und haben das immer wieder gesehen.
Irgendwann haben wir einfach mal bei der Nummer angerufen, die so groß auf den Schaufensterscheiben ausgehängt war. Der Vermieter fragte uns, was wir planen würden, denn er möchte nur an Projekte mit Sinn vermieten. Deswegen war zuvor auch ein Second Hand Shop drin, der sich inzwischen vergrößert hat und um die Ecke umgezogen ist.
Wir hielten uns die Option offen, bis im Dezember der Anruf des Vermieters kam. Es gäbe eine weitere Interessentin. Wenn wir also an dem Laden interessiert wären, müssten wir zusagen, ansonsten würde er an sie vermieten.
Wir hätten vermutlich noch länger überlegt, so entschieden wir uns aber, den Schritt zu gehen und den Laden zu eröffnen. Wir sagten zu und im April haben wir den Laden eröffnet. Eine große und überwältigende Unterstützung war dabei die Crowdfundingkampagne, in der unsere finanziellen Ziele so schnell erfüllt und darüber hinaus gefördert wurden, was wir so definitiv nicht erwartet hatten.
Was ist Dein/euer liebstes Produkt und das der Kund*innen?
Martin:
Der Kaffee vom Röster aus der Gegend, das griechische Olivenöl der Lebensmittelkampagne, das Brot und das Tahin, das wir seit Kurzem zum selber abfüllen haben.
Kunden:
Ebenfalls der Kaffee, aber auch die Shampoobars, das Nussnougatmus und unsere Kuchen, die hier regelmäßig frisch bei uns gebacken werden.
Was ist euch bei der Produktauswahl besonders wichtig?
Natürlich Bioqualität, genauso wie kurze Transportwege und sofern möglich regional und saisonal.
Vor welchen Herausforderungen steht ihr?
In letzter Zeit natürlich die bekannten Corona-Schwierigkeiten und die damit zusammenhängenden Unsicherheiten der Kunden. Die Umstände an sich und die Veränderungen was unseren Mittagstisch anbelangt.
In der Nähe hat zudem ein Bioladen kürzlich eine Wand mit Unverpacktwaren installiert. Das stellt für uns eine gewisse Konkurrenz dar. Obwohl der Gedanke auf die Zukunft gerichtet ja auch Sinn macht, denn am besten wäre es ja, wenn es überall möglich wäre, unverpackt einzukaufen und es auch so viel wie möglich angeboten würde.
Welche Vision habt ihr?
Dass es den Laden weiterhin gibt, und sich alles, der Laden, wie auch wir, weiter entwickelt, verändert und wachsen kann. Mit allem, was dazugehört.
Wir sehen unser Geschäft nicht nur als Unverpacktladen an, sondern auch als einen Platz mit Ideen, an dem ein Leben und Verhalten gezeigt werden kann, was auch „enkeltauglich“ ist.
Wir versuchen, durch unser regionales Angebot an Frischwaren (das am weitesten entfernte kommt vom Bodensee, das Gemüse kommt von einer Bäuerin 7km von uns entfernt), Einfluss auf die Gesellschaft und das Konsumverhalten unserer Kunden zu nehmen. Wir möchten zeigen, wie saisonales und regionales Essen möglich ist, auch wenn es zu besonderen Anlässen wie im Advent bei uns dann auch mal Orangen und Granatäpfel von Gebana gibt.
Außerdem bieten wir einige Produkte der Lebensmittelkampagne an, die biologisch, fair, nachhaltig und regenerativ arbeiten.
Wir bieten auch Foodsharing einen Platz für ihren Fairteiler auf unserem Grundstück, bieten immer wieder Workshops und Vorträge an zu Themen wie regenerativer Landwirtschaft, Wildpflanzen aus der Region nutzen, Naturkosmetik selber herstellen und vieles mehr.
Wir möchten dazu beitragen und es fördern, Produkte unverpackt zu bekommen, bei denen es sonst schwierig ist. Und da gehört dazu, sich aktiv und mit Nachdruck dafür einzusetzen, damit sich etwas verändert.
Das tun wir vor allem im Dialog mit unseren Hauptlieferanten, wie z.B. Rapunzel und Bananeira. Aber auch potenzielle Lieferanten werden von uns angefragt und hören unsere Wünsche und Vorstellungen.
Wenn Du eine Sache am System ändern könntest, was wäre das?
Dass die Wirtschaft nicht mehr auf Wachstum basiert und es für Unternehmen möglich ist, ohne diesen Zwang (zum Wachsen) und einer Orientierung an Beständigkeit möglich ist, gut zu bestehen.
Im Bereich der Landwirtschaft würde ich die EU Subventionen umstrukturieren. Dass nicht diejenigen die meisten Subventionen erhalten, welche die größte Fläche und die größten Maschinen besitzen und die meiste Masse umsetzen, sondern diejenigen, welche auf nachhaltigen, umweltbewussten und regenerativen Anbau achten.
In der Textilindustrie gibt es schon Vorreiterunternehmen, die inzwischen nicht mehr auf Wachstum bei Produkten setzen, sondern ihr Wachstum in die Bereiche Second Hand, Recycling und Reparaturen verlagern.
Dein persönlicher Tipps für ein nachhaltiges/unverpacktes Leben?
Irgendwo anfangen, nicht alles auf einmal wollen.
Schizophrenie zulassen. Soll heißen: Viele Menschen sagen konsequent nachhaltig leben geht nicht. Wenn man zum Beispiel biologische Lebensmittel einkauft, aber gleichzeitig Auto fährt und damit Erdöl verbrennt. Also lassen sie es gleich bleiben, weil sie nicht in allen Bereichen perfekt sind.
Dass es auch okay ist, wenn man im Ernährungsbereich darauf achtet, dass es regional und saisonal ist und aus regenerativer Landwirtschaft kommt und dennoch fast Fashion kauft. Besser irgendwo anfangen und etwas tun, als gar nichts.
Was ist das Besondere an eurem Laden?
Er wirkt handgemacht und nicht so durchdesignt, weil wir viel selber machen. Wir haben einfach mal angefangen und dann kam dies und das dazu. Einrichtung, Lieferanten, Produkte, Möbel…
Unsere Einrichtung ist komplett gebraucht, von den ehemaligen Büromöbeln, in denen unsere Ware steht, zu dem Mobiliar und den Geräten in der Küche, unsere Cafémöbel und unser Geschirr.
Was willst Du gern noch sagen?
Einfach mal anfangen und mit weniger zufrieden sein.
Abschließend möchte ich mich bei freilich unverpackt bedanken. Für das leckere Mittagessen, den schönen Mittag im Laden und die Möglichkeit, diesen Artikel zu schreiben. Besonderer Dank geht an Martin für die Zeit, die er sich genommen hat, mir alle meine Fragen zu beantworten und seine wertvollen Gedanken mit mir und meinen Leser*innen zu teilen. Martin und ich kennen uns übrigens schon seit Kinder- und Jugendtagen, daher war es mir eine besondere Freude, dieses Wiedersehen nach langer Zeit auf eine Weise zu verbringen, das von ähnlichen Werten und verbundenen Gedanken geprägt war. Von Herzen Danke!
(Und da wir uns so verquatscht hatten, ist mir total durchgegangen, Bilder vom Lager zu machen. Daher diesmal ohne Papiergroßpackungen- und Pfandbehälterfotos. 🙂 )
Du willst auch gern meine anderen Unverpacktlädenrundgänge sehen? Dann hier lang.
Ich würde gerne Joghurt und Quark direkt in mitgebrachte Behälter abfüllen geht das bei euch?
Liebe Annegret,
ich weiß, dass das freilich unverpackt auf jeden Fall Quark und Joghurt aus der Region (Isny) hat und ich bin mir fast sicher, dass sie ihn Dir dort direkt abfüllen. Im ersten Absatz des Artikels kommst Du zu deren Website über die Du Dir auch sas Sortiment herunterladen kannst und wo Du sonst auch die Telefonnummer findest, falls Du direkt anrufen und nachfragen möchtest, um auf Nummer sicher zu gehen.
Viele Grüße,
Amelie